DSGVO-konform archivieren mit Paperless-ngx: Mehr als nur PDFs ins DMS werfen
Die Schubladen quellen über, der Aktenschrank ächzt, und irgendwo in der Ablage schlummert sicherlich noch diese eine Rechnung von vor drei Jahren. Das papierlose Büro? Für viele Unternehmen bleibt es eine Vision, während die rechtlichen Anforderungen – insbesondere die DSGVO – immer schärfer zubeißen. Dokumentenmanagement-Systeme (DMS) sind die logische Antwort. Doch selbst moderne Lösungen wie Paperless-ngx, der flexible Open-Source-Favorit für viele IT-Abteilungen, entbinden nicht von der Pflicht, sich intensiv mit den Details der DSGVO-Konformität auseinanderzusetzen. Es geht eben nicht nur darum, PDFs digital abzulegen.
Die DSGVO: Ein Stachel im Fleisch der Dokumentenverwaltung
Die Datenschutz-Grundverordnung ist kein reines IT-Sicherheitsthema. Sie durchdringt Prozesse, speziell den Umgang mit personenbezogenen Daten – und die stecken in erstaunlich vielen Dokumenten: Personalakten natürlich, aber auch Kundenkorrespondenz, Bewerbungen, Rechnungen, Verträge, selbst vermeintlich neutrale Protokolle können Namen enthalten. Die zentralen Anforderungen, die direkt auf ein DMS wie Paperless-ngx durchschlagen, sind:
- Rechtmäßigkeit der Verarbeitung: Gibt es für das Speichern dieses Dokuments mit diesen Daten eine legitime Grundlage (Vertrag, Einwilligung, berechtigtes Interesse)?
- Zweckbindung: Dokumente dürfen nur für den ursprünglich festgelegten Zweck verarbeitet werden. Die Rechnung für die Büromöbel landet nicht plötzlich im Marketing-Pool.
- Datenminimierung: Es dürfen nur diejenigen personenbezogenen Daten gespeichert werden, die für den Zweck tatsächlich notwendig sind. Braucht die Kopie des Personalausweises wirklich jeder Scan?
- Richtigkeit: Daten müssen sachlich richtig sein und, wo nötig, auf dem aktuellen Stand gehalten werden. Das betrifft auch korrigierte Dokumente.
- Speicherbegrenzung: Dokumente dürfen nur so lange aufbewahrt werden, wie es der Zweck oder gesetzliche Aufbewahrungsfristen erfordern. Danach muss eine sichere Löschung erfolgen. Hier kollidieren oft Steuerrecht (z.B. 10 Jahre für Rechnungen) und DSGVO (Löschung bei Wegfall des Zwecks).
- Integrität und Vertraulichkeit: Technische und organisatorische Maßnahmen (TOMs) müssen sicherstellen, dass Daten vor unbefugter Verarbeitung, Verlust oder Zerstörung geschützt sind.
- Betroffenenrechte: Das DMS muss Auskunft, Berichtigung, Löschung („Recht auf Vergessenwerden“) und Datenübertragbarkeit praktikabel ermöglichen.
Ein interessanter Aspekt ist, dass die DSGVO selbst zwar keine spezifischen technischen Standards für DMS vorschreibt, aber die Ergebnisse einfordert: Sicherheit, Nachvollziehbarkeit, Kontrolle. Paperless-ngx liefert die technische Basis – doch die Konfiguration und der Betrieb entscheiden, ob diese Basis DSGVO-konform genutzt wird.
Paperless-ngx: Vom Dokumentenscanner zum DSGVO-Werkzeugkasten
Paperless-ngx, die Weiterentwicklung des ursprünglichen Paperless, ist mehr als ein digitaler Ablagekorb. Sein modulares Design und die Offenheit bieten entscheidende Vorteile für die DSGVO-Umsetzung:
- Metadaten im Fokus: Das Herzstück. Jedes Dokument (PDF, aber auch Bilder, E-Mails, Office-Dateien) wird mit umfangreichen Metadaten versehen: Korrespondent, Dokumenttyp, Tags, Erstelldatum, Bearbeitungsdauer etc. Diese Struktur ist essenziell für die Erfüllung von Zweckbindung und späteren Löschpflichten.
- Mächtige Klassifikation (Matching & Auto-Tagging): Automatische Erkennung von Dokumententypen und Zuordnung von Metadaten basierend auf Inhalten oder Pfaden. Ein eingehender Lohnsteuerjahresausgleich wird automatisch als „Personal“, „Steuer“, „Aufbewahrung 10 Jahre“ getaggt – das reduziert Fehler und schafft Konsistenz.
- OCR als Enabler: Integrierte Texterkennung (Tesseract) macht den Inhalt von gescannten Dokumenten und Bildern durchsuchbar. Das ist nicht nur praktisch, sondern auch für Auskunftsanfragen gemäß DSGVO Artikel 15 unerlässlich. Wie sonst soll man effizient alle Dokumente finden, die eine bestimmte Person betreffen?
- Workflows: Automatisierte Abläufe für das Einlesen, Klassifizieren, Benachrichtigen oder Weiterleiten von Dokumenten. Für die DSGVO relevant: Workflows können z.B. automatisch Dokumente zur Prüfung und Freigabe vor dem endgültigen Archivieren markieren, wenn sensible Daten vermutet werden.
- Berechtigungen (Permissions): Fein granulare Zugriffssteuerung auf Dokumentenebene. Nicht jeder muss alles sehen. Vertrauliche Personalakten bleiben für die HR-Abteilung reserviert.
- Audit-Log: Protokolliert wer, wann, was mit einem Dokument gemacht hat (Anzeigen, Herunterladen, Ändern, Löschen). Unverzichtbar für die Nachvollziehbarkeit und Rechenschaftspflicht (Art. 5 Abs. 2, Art. 24 DSGVO).
- Offenheit & Selbsthosting: Die Möglichkeit, Paperless-ngx auf eigenen Servern (On-Premise oder in der gewünschten Cloud) zu betreiben, gibt maximale Kontrolle über die Datenhoheit und Sicherheitskonfiguration – ein oft entscheidendes Argument gegenüber reinen Cloud-SaaS-Lösungen.
Dabei zeigt sich: Paperless-ngx ist kein fertiges DSGVO-Paket. Es ist ein mächtiges Werkzeug, dessen Potential für Compliance erst durch bewusste Einrichtung und klare Prozesse voll ausgeschöpft wird.
Konkrete Stellschrauben für DSGVO-Konformität in Paperless-ngx
Wie übersetzt man die abstrakten DSGVO-Prinzipien nun in die tägliche Praxis mit Paperless-ngx? Hier die entscheidenden Hebel:
1. Klassifikation ist König: Metadaten als DSGVO-Rückgrat
Ohne präzise Metadaten ist DSGVO-Compliance im DMS ein Ding der Unmöglichkeit. Paperless-ngx lebt davon.
- Dokumententypen mit Zweckbindung definieren: Erstellen Sie spezifische Typen wie „Bewerbungsunterlagen“, „Kundenvertrag“, „Lieferantenrechnung“, „Einwilligungserklärung“. Weisen Sie jedem Typ explizit den Verarbeitungszweck zu (z.B. im Feld „Notizen“ für interne Dokumentation). Dies dokumentiert die Rechtmäßigkeit.
- Tags für Aufbewahrungsfristen & Sensibilität: Nutzen Sie Tags systematisch:
aufbewahrung_6_jahre
(Handelsrecht)aufbewahrung_10_jahre
(Steuerrecht)aufbewahrung_bis_kuendigung_plus_x
(Verträge)dsgvo_sensibel
(Besondere Kategorien personenbezogener Daten nach Art. 9)dsgvo_einwilligung
(Dokumente, die eine Einwilligung belegen)
Diese Tags werden später für automatisierte Löschprozesse und Zugriffsbeschränkungen entscheidend.
- Korrespondenten sauber pflegen: Ob natürliche Personen (Mitarbeiter, Kunden) oder juristische Personen (Lieferanten, Behörden) – eine konsistente Korrespondenten-Datenbank ist essenziell für die Zuordnung und das Auffinden von Daten im Rahmen von Betroffenenanfragen.
- Auto-Tagging & Matching rigoros nutzen: Investieren Sie Zeit in die Konfiguration der automatischen Klassifizierung. Trainieren Sie die Algorithmen mit Beispielen. Je weniger manuell nachgetaggt werden muss, desto geringer das Fehlerrisiko und desto höher die Konsistenz – beides wichtig für die Richtigkeit und Nachvollziehbarkeit.
Beispiel: Eine eingehende Rechnung eines Büromateriallieferanten wird automatisch erkannt (Matching anhand Absender/Inhalt), als Dokumententyp „Lieferantenrechnung“ klassifiziert und erhält die Tags finanzen
, steuerrelevant
, aufbewahrung_10_jahre
. Der Zweck „Buchhaltung und steuerrechtliche Aufbewahrung“ ist klar dokumentiert.
2. Die Löschkeule organisiert zücken: Automatisierte Aufbewahrungsrichtlinien
Die manuelle Suche nach abgelaufenen Dokumenten ist fehleranfällig und ineffizient. Paperless-ngx kann das automatisieren – wenn die Vorarbeit stimmt.
- Aufbewahrungsfristen in Metadaten codieren: Nutzen Sie Tags oder benutzerdefinierte Felder, um das konkrete Löschdatum oder die Fristdauer (ab Dokumentdatum oder Ereignis) zu speichern. Tags wie
aufbewahrung_10_jahre
sind ein guter Start, aber ideal ist ein Feld mit dem exakten Fristende. - Paperless-ngx‘ Löschmechanismen nutzen:
- Geplante Aufgaben (Cron-Jobs): Der mächtigste Weg. Konfigurieren Sie Skripte oder nutzen Sie die (noch experimentellen) internen Möglichkeiten, um regelmäßig nach Dokumenten zu suchen, deren Aufbewahrungsfrist (basierend auf Metadaten!) abgelaufen ist UND die keine Sperrung (z.B. wegen laufender Rechtsstreitigkeit) haben. Diese Dokumente können automatisch in den Papierkorb verschoben oder (nach finaler Prüfung) endgültig gelöscht werden.
- Manuelle Prüflisten: Für weniger klare Fälle oder als zusätzliche Sicherheit: Konfigurieren Sie Sichten (Views) oder gespeicherte Suchen, die Dokumente anzeigen, deren Frist bald abläuft oder gerade abgelaufen ist, zur manuellen Überprüfung.
- Sichere Löschung (Vernichtung): Paperless-ngx löscht standardmäßig nicht physisch („Shredding“) von der Festplatte. Konfigurieren Sie, dass gelöschte Dokumente nach einer Karenzzeit im Papierkorb (z.B. 30 Tage zur Wiederherstellung bei Irrtum) automatisch und sicher überschrieben bzw. physisch entfernt werden. Tools wie `shred` oder spezielle Dateisystemeigenschaften können hier integriert werden.
Vorsicht Falle: Automatische Löschung setzt absolute Klarheit über die rechtlich korrekte Frist voraus! Bei Zweifeln oder komplexen Fällen (z.B. Dokumente mit mehreren Fristen) ist manuelle Prüfung Pflicht. Eine Löschung ohne Rechtsgrundlage kann schwere Folgen haben.
3. Vertraulichkeit wahren: Berechtigungen und Zugriffskontrolle
„Need-to-know“-Prinzip ist DSGVO-Gebot. Paperless-ngx bietet gute Möglichkeiten, aber keine magische Granularität.
- Nutzer und Gruppen: Legen Sie nicht nur Administratoren und Standardnutzer an. Schaffen Sie Gruppen, die den Abteilungs- oder Rollenstrukturen entsprechen (z.B. „HR“, „Buchhaltung“, „Vertrieb“, „Datenschutzbeauftragter“).
- Berechtigungen auf Dokumentenebene: Dies ist der Königsweg, aber aufwändig. Nutzen Sie die Kombination aus:
- Korrespondenten-Berechtigungen: Wer darf Dokumente von/nach bestimmten Korrespondenten sehen? (z.B. HR sieht nur Mitarbeiter, Vertrieb nur Kunden).
- Dokumententyp-Berechtigungen: Wer darf bestimmte Dokumententypen sehen? (z.B. nur HR sieht „Arbeitsverträge“ und „Zeugnisse“).
- Tag-Berechtigungen: Wer darf Dokumente mit bestimmten Tags sehen? (z.B. nur Finanzen sieht
steuerrelevant
, nur DPO siehtdsgvo_sensibel
).
Kombinieren Sie diese für präzise Steuerung. Ein Vertriebsmitarbeiter sieht vielleicht Kundenkorrespondenz (Korrespondent) und Angebote (Dokumententyp), aber nie Rechnungen (Dokumententyp oder Tag
finanzen
). - Vorsicht mit „Alles sehen“: Die Berechtigung „Dokumente anzeigen“ sollte nicht pauschal allen gegeben werden. Nutzen Sie Gruppen, um den Standardzugriff einzuschränken.
- Herunterladen einschränken: Muss jeder Nutzer jedes Dokument herunterladen können? Überlegen Sie, ob diese Berechtigung (
DOCUMENT_DOWNLOAD
) nur für bestimmte Gruppen oder im Einzelfall (mit Workflow?) erteilt wird. Unkontrolliertes Herunterladen ist ein erhebliches Datenschutzrisiko.
4. Nachvollziehbarkeit schaffen: Das Audit-Log als Chronist
Wer hat wann was getan? Das Audit-Log von Paperless-ngx ist Ihr Beweismittel für die Rechenschaftspflicht.
- Logging aktiviert und konfiguriert halten: Sicherstellen, dass das Audit-Logging eingeschaltet ist und alle relevanten Ereignisse erfasst (Anzeigen, Downloads, Änderungen, Löschungen).
- Regelmäßige Prüfung: Das Log nutzt nichts, wenn es keiner liest. Integrieren Sie die Prüfung der Logs (zumindest stichprobenartig) in Ihre Sicherheits- und Compliance-Routinen. Auffälligkeiten? Sofort nachhaken.
- Sicherung und Aufbewahrung: Logs müssen selbst gesichert und vor Manipulation geschützt werden. Legen Sie eine Aufbewahrungsfrist für Logdaten fest (z.B. 6 Monate bis 2 Jahre, je nach Risiko).
- Export für Auskünfte: Im Falle einer Auskunftsanfrage nach Art. 15 DSGVO muss auch mitgeteilt werden, wann und ggf. von wem die Daten verarbeitet wurden. Das Audit-Log ist hierfür die Quelle. Stellen Sie sicher, dass Sie die relevanten Einträge effizient filtern und exportieren können.
5. Technische Sicherheit: Das Fundament
Paperless-ngx selbst ist nur ein Teil des Puzzles. Die gesamte Infrastruktur muss DSGVO-konform abgesichert sein:
- Verschlüsselung:
- Daten in Ruhe (At Rest): Vollständige Festplattenverschlüsselung (LUKS, BitLocker) auf dem Server, der die Dokumente und die Datenbank speichert. Das ist Pflicht, nicht Kür.
- Daten unter Übertragung (In Transit): Strikte Nutzung von HTTPS (TLS 1.2/1.3) für den Zugriff auf die Weboberfläche. Kein HTTP!
- Zugriffskontrolle auf Systemebene: Starke Authentifizierung (Passwörter, besser 2FA/MFA für Admin-Zugänge) für den Server selbst und die Datenbank. Minimales Berechtigungsprinzip auch für Systembenutzer.
- Regelmäßige Updates: Paperless-ngx, das Betriebssystem, die Datenbank (meist PostgreSQL), Redis und alle anderen Komponenten müssen zeitnah gepatcht werden. Bekannte Schwachstellen sind ein gefundenes Fressen für Angreifer und ein klarer Verstoß gegen Art. 32 DSGVO (Sicherheit der Verarbeitung).
- Backup & Recovery: Nicht nur für die Dokumente, sondern auch für die PostgreSQL-Datenbank (die die Metadaten und Konfiguration enthält!) müssen robuste, getestete Backups existieren. DSGVO-konform bedeutet auch: Widerherstellbarkeit nach einem Vorfall. Achten Sie auf die Verschlüsselung der Backups selbst und deren sichere Aufbewahrung (geographisch getrennt, vor unbefugtem Zugriff geschützt).
- Netzwerkabsicherung: Firewalls, beschränkter Zugriff auf die Paperless-Ports (z.B. nur aus dem internen Netz oder via VPN), Absicherung des Datenverkehrs zwischen den Containern (bei Docker-Installation).
6. Der organisatorische Rahmen: Technik allein reicht nicht
Die beste Paperless-ngx-Installation nutzt wenig, wenn die Prozesse und das Bewusstsein fehlen.
- Verzeichnis von Verarbeitungstätigkeiten (VVT): Die Nutzung von Paperless-ngx als DMS muss im VVT der Organisation erfasst sein. Beschreiben Sie klar:
- Zwecke der Verarbeitung (z.B. „Vertragsverwaltung“, „Personalmanagement“, „Rechnungswesen“)
- Kategorien betroffener Personen (Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, Bewerber)
- Kategorien personenbezogener Daten (Name, Adresse, Geburtsdatum, Kontodaten, ggf. Gesundheitsdaten bei Attesten etc.)
- Empfänger (interne Abteilungen, ggf. externe Dienstleister wie Wartungsfirmen für das System)
- Löschfristen (abgeleitet aus den in Paperless hinterlegten Tags/Fristen)
- Technische und organisatorische Maßnahmen (Beschreibung der Sicherheitsvorkehrungen)
- Datenverarbeitungsverträge (DVV): Wenn Sie externe Dienstleister einsetzen (z.B. für Hosting, Backup, Support), die Zugriff auf die in Paperless gespeicherten personenbezogenen Daten haben könnten, benötigen Sie einen DSGVO-konformen DVV mit diesen Partnern.
- Schulung der Nutzer: Alle Mitarbeiter, die Paperless-ngx nutzen, müssen geschult werden:
- Richtiges Scannen/Einlesen (Welche Dokumente gehören rein? Muss der ganze Personalausweis gescannt werden?)
- Korrekte Vergabe von Metadaten (Tags, Typen) – das ist nicht nur Bequemlichkeit, sondern Compliance!
- Sensibilität im Umgang mit Dokumenten (Keine unkontrollierten Downloads, sichere Aufbewahrung eigener Zugangsdaten)
- Meldewege bei Verdacht auf Datenschutzverletzung
- Dokumentierte Prozesse: Legen Sie schriftlich fest:
- Wie werden Dokumente aufgenommen, klassifiziert, geprüft?
- Wie wird mit Auskunfts-, Berichtigungs- oder Löschanträgen umgegangen? (Wie findet man alle Daten einer Person in Paperless? Wer ist verantwortlich?)
- Wie läuft der automatisierte Löschprozess ab? Wer prüft ggf. die Listen ablaufender Fristen?
- Was ist im Falle einer Datenschutzverletzung zu tun?
- Rolle des Datenschutzbeauftragten (DSB): Involvieren Sie Ihren DSB frühzeitig bei der Planung und Einführung von Paperless-ngx. Er ist Ihr Berater für die rechtliche Einordnung und muss regelmäßig die Konformität überprüfen können (Zugriff auf Logs, Konfiguration, VVT-Einträge).
Typische Stolperfallen und wie man sie umgeht
Selbst mit gutem Willen passieren Fehler. Hier häufige Fallstricke bei der DSGVO-Umsetzung mit Paperless-ngx:
- „Wir scannen einfach alles rein.“: Fatal. Ohne vorherige Prüfung auf Notwendigkeit (Datenminimierung!) und Festlegung des Zwecks landet schnell zu viel, darunter hochsensible oder unnötige Daten, im System. Lösung: Klare Richtlinien, was gescannt werden darf/soll und was nicht. Vor dem Scanner denken!
- Schlampige Metadatenvergabe: „Ist ja nur ein Tag.“ Doch! Fehlende oder falsche Tags/Dokumententypen machen automatisierte Löschung unmöglich und erschweren Betroffenenanfragen massiv. Lösung: Schulung, klare Vorgaben, konsequente Nutzung des Auto-Taggings und regelmäßige Qualitätschecks.
- Vergessene Aufbewahrungsfristen: „Das heben wir mal lieber auf.“ Dokumente, die eigentlich längst hätten gelöscht werden müssen, stellen ein erhebliches Risiko dar (unzulässige Verarbeitung). Lösung: Systematische Erfassung der Fristen in Metadaten, automatisierte Löschworkflows, manuelle Prüflisten für unklare Fälle.
- Zu lasche Berechtigungen: Der Glaube „Bei uns sieht eh jeder alles“ ist nicht nur naiv, sondern ein klarer Verstoß gegen das Need-to-know-Prinzip. Lösung: Restriktive Berechtigungsvergabe nach dem Minimum-Prinzip. Lieber zu knapp beginnen und nachjustieren.
- Unsichere Übertragung/Archivierung: HTTP statt HTTPS, unverschlüsselte Backups, Server ohne Systemupdates – ein offenes Tor. Lösung: Security-Härtung der Infrastruktur ist nicht optional. Checklisten abarbeiten, Tools zur Sicherheitsüberprüfung nutzen.
- Fehlende Dokumentation & Schulung: Ohne dokumentierte Prozesse und geschulte Mitarbeiter läuft jede technische Lösung ins Leere. Lösung: Investition in klare Anweisungen und regelmäßige Sensibilisierung.
Paperless-ngx im Zusammenspiel: Archivierung und betriebliche Organisation
Ein DMS wie Paperless-ngx ist kein isoliertes System. Seine wahre Stärke entfaltet es im Zusammenspiel mit anderen Prozessen und der Gesamtorganisation:
- Papierarchiv vs. Digitalarchiv: Paperless-ngx ersetzt nicht zwingend sofort alle Papierarchive. Oft ist ein Hybridmodell sinnvoll: Aktive Dokumente digital, historische Bestände oder besonders wertvolle Originale (noch) physisch. Entscheidend ist die klare Regelung, was wo liegt und wann physische Dokumente nach der Digitalisierung vernichtet werden dürfen (unter Beachtung von Beweisrecht und Grundsätzen zur elektronischen Archivierung, z.B. GoBD/GDPdU).
- Integration in Workflows: Paperless-ngx kann über APIs (z.B. mit Tools wie n8n, Make.com oder Python-Skripten) in größere Workflows eingebunden werden. Beispiel: Eine eingehende Rechnung wird automatisch klassifiziert, an die Buchhaltungssoftware übergeben und nach Bezahlung und Archivierung im DMS automatisch für die Löschung in 10 Jahren vorgemerkt. Das steigert Effizienz und Prozesssicherheit – auch für die DSGVO.
- E-Mail-Archivierung: Paperless-ngx kann (via E-Mail-Consumer) auch E-Mails und Anhänge direkt aufnehmen und archivieren. Das ist besonders für geschäftliche Korrespondenz wichtig. Hier gilt es besonders streng auf die Datenminimierung zu achten (Private Mails aussortieren!) und die Metadatenvergabe sicherzustellen.
- Langzeitarchivierung (LZA): Für Dokumente mit sehr langen Aufbewahrungsfristen (z.B. Grundbuchauszüge, Patente) muss die Langzeitlesbarkeit sichergestellt sein. Paperless-ngx speichert bevorzugt im PDF/A-Format (Standard für Langzeitarchivierung). Dennoch sind regelmäßige Prüfungen der Lesbarkeit und ggf. Migrationen auf neue Formate Teil einer umfassenden LZA-Strategie, die über Paperless-ngx hinausgeht.
Fazit: DSGVO-Compliance als Daueraufgabe mit Paperless-ngx
Die Einführung von Paperless-ngx als DMS ist ein großer Schritt in Richtung effiziente, papierarme Organisation und kann ein mächtiger Hebel für die DSGVO-Compliance sein. Doch der Teufel steckt, wie so oft, im Detail und im Betrieb.
Es reicht nicht, die Software zu installieren und PDFs hineinzuschieben. Die Konformität ergibt sich aus der konsequenten Nutzung der Metadatenfunktionen für Zweckbindung und Löschmanagement, der sorgfältigen Konfiguration von Berechtigungen und Sicherheitsmaßnahmen, der dokumentierten Festlegung von Prozessen und Verantwortlichkeiten und nicht zuletzt aus der Sensibilisierung aller beteiligten Mitarbeiter.
Paperless-ngx bietet hervorragende technische Voraussetzungen, um diese Anforderungen zu erfüllen. Es ist flexibel, transparent und anpassbar. Aber es erfordert Disziplin und ein klares Bekenntnis zum Datenschutz auf allen Ebenen des Unternehmens. Wer diese Investition tätigt, wird nicht nur rechtlich sicherer, sondern gewinnt auch an Effizienz und Kontrolle über seine Dokumentenflut. Die quellende Schublade war gestern. Heute geht es darum, digitale Akten so zu führen, dass sie nicht nur auffindbar, sondern auch datenschutzkonform sind – von der Aufnahme bis zur sicheren Löschung. Paperless-ngx ist ein Werkzeug, das dies ermöglicht. Packen Sie es an.